Aufgeben – Nein Danke
„Ich lebe mit MS - nicht die MS mit mir!“
Diesen Leitspruch habe ich mir auf die Fahne geschrieben.
Trotz fortschreitender Krankheit habe ich bis heute nicht
kapituliert, gegen einen übermächtigen Gegner zu kämpfen.
Aufgeben – das ist ein Fremdwort für mich.
Auch wenn es mir nicht immer leicht fällt, sich täglich einen Kampf mit einem übermächtigen Gegner zu stellen.
Bereits Goethe sagte: „Nichts ist so wichtig wie der heutige Tag.“
Und genau danach lebe ich.
Ich genieße jeden Tag, als wenn es der Letzte wäre und versuche, das Beste daraus zu machen.
Denn nur eine Sache ist verloren, wenn man aufgibt.
(© Britta Kummer)

 

Auszug Reisen mit MS
Matthias Claudius (deutscher Dichter*15.08.1740 †21.01.1815) sagte: „Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was erzählen.“
Das stimmt, und wenn man als MSler reist, kann das schnell zu einem Abenteuer werden. Zum normalen Gepäck kommen dann auch noch ein Rollator und ein Rolli hinzu. Natürlich darf das Zusatzmaterial wie Akku und Ladegerät nicht fehlen. Und um das alleserst einmal in einem Auto zu verstauen, bedarf es schon eines logistischen Talents.
Handgepäck wird dann auch noch benötigt, um die vielen Medikamente griffbereit zu haben. In meinem Fall sind das mehrere, sodass an einem Grenzübergang durchaus die Möglichkeit bestünde, als Drogenkurier angesehen zu werden. Zum Glück blieb mir das bisher erspart. Ich will mir gar nicht ausmalen, wie man jemandem erklärt, der möglicherweise meine Sprache nicht spricht, dass es sich um eigene Medikamente handelt, auf die man angewiesen ist, und nicht um Drogen! Hilfreich ist es da auch nicht, dass die Pillen in verschiedenen Farben und Größen vorhanden sind. Zugegeben, für Außenstehende kann dies schon sehr verdächtig aussehen.
Die Flugreise selbst kann durchaus noch abenteuerlicher werden. Ich sah, wie der Kontrolleur an der Gepäckannahme einen dicken Hals bekam. Ein Fluggast mit zwei Gepäckwagen. Man konnte seine Gedanken lesen: „Oje, warum muss ich immer solche Leute überprüfen?“ Aber da grinst man einfach. Schließlich ist man höflich. Lag ja nichts Besonderes vor. War nur Gepäck …
Nachdem dann alles aufgegeben war, verspürte man die Erleichterung des guten Herrn und sogar er brachte ein Grinsen hervor. Geht doch! Jedoch setzt sich dann immer bei mir sehr schnell die Frage im Kopf fest, ohne dass ich was dagegen machen kann: „Kommt auch alles wieder zum Vorschein?“
Da die meisten Flughäfen sehr ausgedehnt sind, bieten die Flughafenbetreiber für Behinderte einen Bringdienst per Rollstuhl zum Flugzeug an. Ein toller Service ... Man wird dann, ich sage es mal ganz salopp, zur Seite gesetzt um zu warten, bis der Abholdienst kommt. Da sitzt man nun mutterseelenallein und wartet, wartet, wartet … und keiner kommt und die Zeit läuft davon. Der Abflugtermin rückt immer näher. Kleine Schweißperlen sammeln sich dann immer auf meiner Stirn, die Hände werden feucht. Mit Adlersaugen hält man Ausschau und dann … endlich erscheint ein Flughafenangestellter mit einem klapprigen Rolli, ein wahres Schmuck stück und sagt: „Keine Sorge, ist noch alles im grünen Bereich.“ Bitte Platz nehmen, die Reise kann beginnen!
Im forschen Tempo geht es in Richtung Flugzeug. Der fahrbare Untersatz wackelt hin und her, die Reifen quietschen, in den Kurven hat man das Gefühl, gleich kippt das Gefährt um und man legt sprichwörtlich eine Bruchlandung hin. Hinzu kommen noch die anderen Reisenden, die absolut kein Verständnis für solche haarsträubenden Aktionen haben. Mein Chauffeur war aber ein Meister der Fahrkunst. Es kam niemand zu schaden. Glück gehabt! Dann sah ich das Flugzeug. Es stand noch auf festem Boden. Mir fiel ein großer Stein vom Herzen …
Die Flugreise ging in die USA. Daher waren wegen meiner Medikamente Vorsorgemaßnahmen zu treffen. Und zwar hatte ich mir von meinem Hausarzt eine schriftliche Bestätigung mit Unterschrift und Stempel ausstellen lassen. Daraus ging eindeutig hervor, dass es sich um Arzneimittel handelt. Somit war ein eventueller Drogenverdacht aus der Welt geschafft. Gut, dass ich keine flüssigen Arzneimittel brauche. Da hatte es ja schon die unwahrscheinlichsten Geschichten gegeben. Ich sage nur: Flüssigsprengstoff … Neeee … so etwas brauchte ich nun wirklich nicht.
Bedingt durch meine Erkrankung gehöre ich leider nicht zu den motorisch schnellsten MSlern. Das bekomme ich dann immer bei den Personenkontrollen zu spüren und verschaffe mir immer Probleme. Wenn es heißt es: Bitte Schuhe ausziehen, aus dem Rollstuhl aufstehen und Marsch, Marsch zum Durchleuchten. Also, mehrmals kräftig durchatmen, Kräfte mobilisieren, und mit, wessen Hilfe auch immer, meine Puddingbeine zum Stehen zu bringen. Da ist man wegen der Reise schon mächtig aufgeregt und noch eine nicht beabsichtigte Showeinlage darbieten. Was ist, wenn es jetzt piept, schießt mir immer durch den Kopf und meine Schweißperlen und feuchten Hände zeigen wieder, dass auf sie Verlass ist. Aber es kam kein Ton.
Im Unterbewusstsein bekommt man immer mit, dass einige Mitreisende meine Turneinlage belustigend finden. Aber diese Situationen sind mir bekannt und machen mich inzwischen nicht mehr wütend. Ist doch schön, wenn man jemanden mit so einer Darbietung eine Freude bereiten kann. Gelernt ist gelernt.
Endlich saßen wie alle im Flugzeug. Die Türen schlossen sich. Der Flieger rollte zum Start und nun begann das große Abenteuer. Ein unbeschreibliches Gefühl in der Luft. Abgesehen vom Geschnatter der übrigen Gäste war der Flug sehr ruhig. Über den Wolken der blaue Himmel. Wahnsinn, sowas muss man erlebt haben. Schon im Liedtext „Über Den Wolken“ von Liedermacher und Sänger Reinhard Mey heißt es u.a. „Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein. Alle Ängste, alle Sorgen, sagt man, blieben darunter verborgen und dann würde, was uns groß und wichtig erscheint, plötzlich nichtig und klein.“ Genau diese Empfindung hatte ich. Dann begann die eigentliche Reise. Eine Schifffahrt in die Karibik. So heißt es auch in einem Lied:
„Eine Seefahrt die ist lustig. Eine Seefahrt, die ist schön. Denn da kann man fremde Länder und noch manches andre sehn.“ …
(© Britta Kummer)