Kiki
Wieder einmal stand das große Waldfest an. Alle fieberten diesem Ereignis entgegen. Alle, bis auf Kiki.
Der kleinen Elfe wurde ganz übel, wenn sie nur daran dachte. Hatte sie sich doch beim letzten Fest bis auf die Knochen blamiert.
Da mussten die Jungelfen immer besondere Flugkünste vorführen. So wie eine Schulprüfung, nur vor Publikum. Bei einem besonderen spektakulären Looping, den Kiki zeigen wollte, verlor sie die Kontrolle und riss dabei die ganze Festdekoration, an der die Waldbewohner lange mit liebevoller Kleinstarbeit gearbeitet hatten, völlig nieder.
Seit diesem Tag war sie das Gespött des Waldes, und alle machten sich nur noch lustig über sie. Inzwischen war es sogar so weit, dass sie ihre Flügel nicht mehr benutzte und zu Fuß ging. Sie hatte all ihren Mut verloren.
Abends saß Kiki zusammengekauert in ihrem Sessel, als ihre Oma hereinkam. Sie schaute sie besorgt an. „Du siehst ja erbärmlich aus. Was ist denn los?“
„Ach, Oma, morgen ist doch das Fest. Wenn ich nur daran denke, läuft mir ein Schauder über den Rücken. Denk an letztes Jahr. Es war grausam. Du weißt, die Lehrerin verlangt morgen wieder, dass ich etwas vorführe. Was ist, wenn ich erneut durchfalle?“
„Mein Kind, du bist eine hervorragende Fliegerin. Das schaffst du mit links. Vergiss letztes Jahr, glaube an dich. Nur weil es da in die Hose gegangen ist, heißt das doch nicht, dass es diesmal wieder so ist.“
„Ja, ja. Du hast gut reden. Du hast dich ja auch nicht vor der versammelten Mannschaft zum Deppen gemacht.“ Und noch bevor sie etwas sagen konnte, verzog sich ihre Enkelin in ihr Zimmer und ward nicht mehr gesehen.
Am nächsten Morgen wollte sie gar nicht aufstehen. Aber die alte Dame blieb eisern und bestand darauf, dass sie zur Feier ging.
Gerade als Kiki das Haus verlassen wollte, rief ihr die Oma hinterher: „Einen Moment! Ich habe da noch was für dich!“
„Was ist das?“
„Das ist ein Mutmachsaft. Den habe ich die Nacht extra für dich gebraut. Damit schaffst du es ganz bestimmt. Aber das bleibt unser Geheimnis. Du weißt, Doping ist nicht erlaubt. Wir bekommen beide großen Ärger, wenn das herauskommt.“
„Du bist die Beste!“ Hastig schluckte Kiki das Gebräu und machte sich auf zum Festplatz. Sie fühlte sich auf einmal so leicht und unbeschwert. Der Saft schien schon zu wirken.
„So, meine Lieben“, forderte die Lehrerin ihre Schüler auf. „Ihr eröffnet wie immer. Also dann, legt los.“
„Oh je. Unser Bruchpilot ist auch wieder am Start. Alle in Deckung!“, rief die Menge und lachte laut, aber Kiki ignorierte das völlig.
„Was so ein Saft alles ausmacht“, dachte sie sich. Jegliche Angst war verschwunden. Sie hob ab und flog eine Drehung, wie man sie in diesem Wald noch nie gesehen hatte. Tosender Applaus erklang. Sie hatte es allen gezeigt.
Dann sah sie abseits der Menge ihre Großmutter stehen und eilte freudestrahlend zu ihr. „Hast du gesehen? War das nicht klasse?“
„Das war perfekt, mein Kind. Ich habe dir doch gesagt, du schaffst das!“
„Das lag nur an deinem tollen Getränk. Was war da eigentlich drin?“, flüsterte Kiki ihr ins Ohr.
„Nichts.“
„Wie nichts?“
„Ich muss dich enttäuschen. Es war nur gefärbtes Wasser.“
„WAS?! Und warum konnte ich so gut fliegen?“
„Das konntest du schon vorher. Du brauchtest nur einen kleinen Schubs, damit du wieder an dich glaubst und Selbstvertrauen hast. Hat doch gut geklappt!“
Die kleine Elfe brachte kein Wort heraus und schaute ihre Oma mit großen Augen und offenem Mund an. Zum ersten Mal in ihrem Leben war sie sprachlos.
„Nicht sauer sein. Meine kleine List hat doch geklappt.“
Von diesem Tag an ließ Kiki sich nicht mehr hängen. Natürlich klappte nicht immer alles auf Anhieb, aber sie gab nie auf, versuchte immer weiter und glaubte an sich, bis sie es schließlich schaffte.
(© Britta Kummer)